Warum der Bunte Kreis Schwäbisch Gmünd e. V. ein Segen ist. Großer Artikel in der Rems-Zeitung von Birgit Trinkle am 30.04.
Der Bunte Kreis zahlt nicht für Steuerberateroder Rechtsbeistand, auch der Vorstandarbeitet ehrenamtlich, um Frühgeborenenund schwerkranken Kindern zu helfen:„Wir investieren in Menschen, die wir zuden Menschen schicken.“ Ein kostenloserDienst für von Sorge geplagten Familien –selbstverständlich ist das nicht.
Es atmet nicht mehr, ihr Kind atmet nichtmehr – als sie aus dem Alptraum hochfuhr,pochte ihr das Herz im Hals und ihr war, als gebe es auch für sie keine Luft. Panischer Griff in den Stubenwagen, an dem sie die Nächte verbrachte, weil sie ohnehin keine Ruhe fand. In ihrer Erschöpfung immer wieder einnickend. Der Puls flatterte an der kleinen Kuhle zwischen Hals und Schulter: Es warnoch am Leben, ihr viel zu früh geborenes Schätzle, aber sie war am Ende ihrer Kraft. So schlimm es war, ins Krankenhaus zufahren und zu bangen, bei immer neuen Komplikationen– die Sepsis, dachte sie damals,war der Tiefpunkt –: Als die Familie das schützende Nest der Klinik verlassen hatte,den Kokon aus hochqualifizierten Fachkräften,die sich kümmerten, war es die Hilflosigkeit,an der sie beinahe zerbrach. Die Angst,alles falsch zu machen. Zu versagen. Ihrem Baby nicht helfen zu können. Heute ist das Frühchen von damals sechs Jahre alt und wahlweise Zuckermäusle und vielgeliebte rotzfreche Goiß. Heute weiß sie, dass es den Bunten Kreis gibt, der Menschen wie ihr hilft– und sie hilft den Helfenden um Jochen Riedel nach Kräften.Als Jochen Riedel, Chefarzt und ehrenamtlicherVorsitzender des Bunten Kreises im Ostalbkreis, angefangen hat mit der Medizin,war einiges anders. Zum einen hatten die angehenden Ärztinnen und Ärzte nur nebulöse Vorstellungen vom Alltag im Krankenhaus. Dank der Kooperation mit Realschulen und Gymnasien wissen heute schon die Jungen,was auf sie zu kommt. Was es heißt, Leiden zusehen, Schmerz. Die ganz und gar Hilflosen. Für Jochen Riedel, der sein Medizinstudium 1990 abgeschlossen hatte, waren es schon heftige neue Eindrücke, die auf ihn zukamen. Damals sind viel, viel mehr Kinder gestorben.In den vergangenen 20 Jahren hat sich Unglaubliches getan, sagt er, während er sehr liebevoll ein Menschenkind auf dem Armhält, das 14 Wochen zu früh auf die Welt gekommenist – und das leben wird.
Christiane Eichenhofer, deren Tour Ginkgo 2010 maßgeblich zur Gründung des Bunten Kreises Schwäbisch Gmünd beigetragen hat, ist Leukämie-Überlebende. Früher schafften es gerade mal 5 Prozent der Betroffenen, den Blutkrebs zu besiegen, heute sind es über 90 Prozent. Auch Stoffwechselerkrankungen und Herzfehler sind viel seltener Todesurteil. Als Riedel von der Uni kam, hieß es, ein Frühchen mit 1000 Gramm sei kaum zu retten; heute gibt es bei der Hälfte eine gute Chance. Vieles von dem, was mittlerweile behandelbar ist, war bis vor wenigen Jahren Teil der Kindersterblichkeit. Chronisch und schwer kranke junge Menschen sind in der Regel früh gestorben. Heute werden sie nach oft langem Klinikaufenthalt in die Familien entlassen. Manchmal mit Restproblemen, immer mit der Angst der Eltern. Riedel und seine Mitstreiterinnen haben den Bunten Kreis als Helferkreis gegründet, der die Entlassung aus dem Krankenhaus mit vorbereitet und die zum Teil sehr intensive Betreuung danach übernimmt. Dank ihres Einsatzes sind Eltern nicht mehr alleingelassen mit medizinischen und pflegerischen Entscheidungen, mit erdrückender Verantwortung. Die Nachsorge beim Bunten Kreis ist nicht an einer bestimmten Erkrankung festgemacht, sondern versucht, der Vielfalt der Menschheit und ihrer Erkrankungen gerecht zu werden: Bedingung ist allein eine schwerwiegende, ausgeprägte Erkrankung eines Kindes und die große Sorge der Familien. Auf dem Weg von der Klinik ins heimische Kinderzimmer helfen mittlerweile vier hervorragend ausgebildete und vor allem sehr erfahrene Fachkräfte – bei Familien mit so massiven Problemen ist Professionalität von Nöten; deshalb muss auch immer wieder neu zertifiziert werden. Andere Bunte Kreise sind auf die Kostenübernahme durch die Kassen angewiesen, was insbesondere bei anfänglicher Ablehnung und der Notwendigkeit, Widerspruch einzulegen, zu wochen- und monatelangen Verzögerungen führen kann. Im Ostalbkreis ist es anders: Da gibt es heute ein Problem mit einem kranken Kind, morgen schon ist eine der Außendienstlerinnen, neudeutsch „Case Manager“ genannt, in der Familie. Wenn’s die Kasse nicht übernimmt, werden eben Spendengelder eingesetzt. Auch die angrenzenden Landkreise sind eingebunden: „Wir sind nichts und niemandem verpflichtet als den Menschen“, sagt Riedel: „Wir werden doch nicht einem Kendle in Alfdorf Hilfe versagen, weil die Kreisgrenze in Pfersbach ist.“ Wie er denken viele. Irgendwas ist dran an der Ehrenamtskultur in Gmünd, freut sich Riedel, dass neben all den anderen Projekten auch sein Bunter Kreis so viel Zuwendung erfährt. Willi und Martin Weigle aus Ruppertshofen schenken dem Verein die vielen Holzmänner, die den Bunten Kreis symbolisieren und für den guten Zweck verkauft oder weitergegeben werden. Aus Aalen wurde der erste Polo gesponsert, der die Fachfrauen in die Familien bringt. Viele helfen, viele tragen dazu bei, dass niemand mehr in langen Nächten ganz alleingelassen ist mit der Verantwortung für ein so schwer krankes Kind.
Der Artikel von Birgit Trinkle ist am 30.04.2016 in der Rems-Zeitung erschienen. Wir bedanken uns bei Frau Trinkle und der Rems-Zeitung für die Freigabe zur Publizierung auf unserer Internetseite.